Betonköpfe

Eine kurze Geschichte:

In einem Blog wird ein Comic veröffentlicht, in dem eine Naziblume zum Stein des Anstoßes wird. Es ist nämlich rassistisch/rechtsextremistisch/problematisch, Nazis in einem Wort mit einer Blume zu nennen. Muss man wissen.

Das ist aber minichten der einzige problematische Comic auf diesem Blog, und irgendwann stellt ein anonymer Wächter des Guten eine durchdachte und argumentativ gut begründete Anklageschrift zu diesem Blog zusammen. Diese verbreitete sich sehr schnell über soziale Medien, und listet die problematischsten der rassistischen/rechtsextremistischen/problematischen Comics unter den jeweiligen Gedankenverbrechen, die darin begangen werden. So gibt es zum Beispiel gleich mehrere Einträge unter so schockierenden Untaten wie „Behauptung von Sexismus gegen Männer“ oder „Konkrete maskulistische Positionen“. Das sind sehr schwere Vergehen, muss man wissen.

Das Resultat: das Internet solidarisiert sich mit dem hetzerischen Blog, dessen Autorin daraufhin die größe ihrer Gefolgschaft mehr als verdoppeln konnte.

Und alle lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer…

…das heißt: alle, bis auf die Wächter des Guten. Die sind nämlich gar nicht erfreut über diese unerwartete Welle des Hasses, die sie hier erlebt haben. Es ist nämlich Hass, wenn man die Warnungen eines Wächters des Guten nicht für bare Münze nimmt und sich selbst ein Bild macht, bevor man zu Fackeln und Mistgabeln greift, muss man wissen.

Spannend an dieser Geschichte finde ich zwei Dinge:

  1. Die Wächter des Guten haben offenbar das Vertrauen der breiten Masse verloren.
  2. In den „verfeindeten“ Lagern gibt es nicht nur Betonköpfe.

Was den Beginn eines Dialoges bedeuten könnte, und dass einige bemerken, dass die Anderen in Wirklichkeit so anders gar nicht sind. Und dass das bisherige aneinander Vorbeireden vielleicht auch davon kommt, dass man den jeweils anderen nur deshalb als Betonkopf gesehen hat, weil man selber einer war.

Der Kommentator maddes8cht hat das sehr schön auf den Punkt gebracht, indem er der Autorin des Blogs dort antwortet:

“Dieses Phänomen, jede Äußerung, jede Haltung, so differenziert und selbstreflektorisch sie auch sein mag, immer noch unbedingt negativ zu interpretieren, ist typischer und fester Bestandteil der antifeministischen Ideologie”

Nein, dieses Phänomen ist ein allgemeines psychologisches Phänomen von Gruppendynamik und weder auf antifeminismus noch auf feminismus begrenzt, sondern findet sich in jeder konfrontativen diskussionssituation. Dein eigener eben zitierter Satz ist ein Beispiel dafür. Auch du wertest mit deinem Satz die Aussage Deines Gegenübers in einer so fundamentaler Weise ab, wie sie es nicht verdient hat.

Wäre schön, wenn wir von der allgemeinen Gesprächsverweigerung weg kommen könnten und einsehen, dass nicht immer nur die anderen Beton im Schädel haben.

Über Sir Mortimer

Uh yeah. THAT guy.
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Betonköpfe

  1. Pingback: Wozu eigentlich brauchen wir eine Wirklichkeit? « man tau

Hinterlasse eine Antwort